Heteronormativitätskritische Lehrer*innenbildung für Diversität

PROJEKTVERANTWORTLICHER

  • Dr. Cristian D. Magnus (Heidelberg School of Education, PostDoc bis 12/2018)

PROJEKTBESCHREIBUNG

Empirische Befunde zeigen deutlich, dass es ein Spannungsfeld gibt zwischen den befürwortenden Äußerungen von Lehramtsstudierenden über die Wertschätzung von Diversität und einem Mangel an Ideen, wie diese Diversität von Menschen in Bildungseinrichtungen positiv erschlossen werden kann. Diese Lücke besteht nachweislich insbesondere bei dem sich hier im Fokus befindlichen Diversitätsmerkmal der sexuellen Identität (Gorski, Davis et. al., 2013) und genauer noch im Hinblick auf den interpersonellen Aspekt derselben: der sexuellen Orientierung (Kugler/Nordt, 2009). Dies ist begründet in gesellschaftlichen Machtstrukturen, die durch den Begriff der Heteronormativität (Warner, 1993) zum Ausdruck gebracht worden sind. Sie führen zu Benachteiligungen für alle Menschen in Europa (Takács, 2006) und werden so zu einem unreflektierten Teil von Bildungsungerechtigkeit in der Schule und den weiteren Teilen des Bildungssystems (Kjaran/Kristinsdóttir, 2015). Um mit dieser Herausforderung umzugehen fehlen Lehrer*innen hier nicht nur noch zu entwickelnde Kompetenzen, sondern sogar eine generelle Vorstellung davon, dass Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierungen überhaupt positiv wirken kann. Im Gegenteil steht sogar die Befürchtung im Raum, dass die hochschulische Ausbildung von Lehrer*innen Heteronormativität und Heterosexismus noch weiter verstärkt, wie am Beispiel amerikanischer colleges of education deutlich wird (Gorski, Davis et. al. 2013).

Eine positiv besetzte Vorstellung von Diversität ist Grundvoraussetzung, um Diversität als Lehrer*in sinnvoll voranbringen zu können. Ziel der Lehramtsausbildung muss es sein bei den Studierenden die Entwicklung eines machtkritischen, reflektierten und positiv zu verstehenden Diversitätsbegriffs zu evozieren. Erst hierdurch kann ein entsprechender Habitus begründet werden, der inkludierendes Handeln ermöglichen kann.
Es existiert an dieser Stelle aber ein blinder Fleck. An dieser zentralen Aussage vorangegangener Studien setzt das Forschungsprojekt an (Magnus/Lundin 2016). Im Projekt werden Reflexionsberichte zu den Themen Gender und sexuelle Orientierung mit qualitativen Methoden untersucht. Studierende des Lehramts erstellen diese Berichte im Rahmen von Lehrveranstaltungen, anschließend werden diese anonymisiert ausgewertet. Ein tieferes Verständnis davon wie Lehramtsstudierende mit Ideen und Konzepten sexueller Diversität umgehen ist eine Grundvoraussetzung, um Wege zu finden, den Umgang mit eben diesen in der Lehrer*innenausbildung zu verbessern und Veränderung anzuregen. Nur so kann ein Wandel angestoßen und langfristig Bildungsgerechtigkeit ermöglicht werden.

LITERATUR

  • Gorski, p. C.; Davis, S. N.; Reiter, A. (2013). An Examination of the (In)visibility of Sexual Orientation, Heterosexism, Homophobia, and Other LGBTQ Concerns in U.S. Multicultural Teacher Education Coursework. Journal of LGBT Youth, 10(3), 224-248.
  • Kjaran, J. I.; Kristinsdóttir, G. (2015). Schooling sexualities and gendered bodies. Experiences of LGBT students in Icelandic upper secondary schools. International Journal of Inclusive Education, 19(9), 978-993.
  • Kugler, T.; Nordt, S. (2009). Sexuelle Identität als Thema der Menschenrechtsbildung. Lebensformenpädagogik - Ein praktischer Beitrag zum diskrimminierungsfreien Zugang zu Bildung. In C. Lohrenscheit (Hrsg.), Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht (S. 197-215). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
  • Magnus, C. D.; Lundin, M. (2016). Challenging Norms: University Students’ Views on Heteronormativity as a Matter of Diversity and Inclusion in Initial Teacher Education. International Journal of Educational Research, 79, 76-85.
  • Warner, M. (1993). Fear of a queer planet. Queer politics and social theory. Minneapolis: University of Minnesota Press.